Wollen Sie die Animation abermals sehen? Aktualisieren Sie die Seite mit F5
oder cmd + r
.
Die Animation zeigt verschiedene Schritte im Aufbau der Anlage. Sie sind — bezogen auf die tatsächliche Reihenfolge der Baumaßnahmen — nicht in jedem Detail korrekt, zeigen aber das prinzipielle Vorgehen, die Komplexität des Vorhabens und die katastrophale Fehleinschätzung eines Kriegsverlaufes. Denn alsbald war die noch im Bau befindliche Anlage von der gegnerischen Luftaufklärung entdeckt …
Sehen Sie unser Online-Museum und begeben Sie sich auf eine virtuelle Tour.
Als am 1.4.1938 die Versuchsstelle der Luftwaffe Peenemünde-West
auf der Insel Usedom offiziell eröffnet wurde, war der letzte große Schritt der Errichtung der damals modernsten Waffenforschungsanlage getan. Vorausgegangen waren die Auswahl eines geeigneten, abgelegenen Geländes auf der Ostseeinsel Usedom (12/1935), dessen Erwerb (1936), Erschließung (1936/37) und Errichtung der ersten baulichen Anlagen (1937). 1937 zogen die ersten Mitarbeiter in die Versuchsstelle des Heeres Peenemünde
(Peenemünde-Ost, Werk Ost
) ein. Mit gewaltigen finanziellen Mitteln wurde eine weltweit einzigartige Infrastruktur modernster Waffenentwicklung geschaffen …
Treppe ins Nirgendwo — Gebäudereste im Entwicklungswerk Peenemünde-Ost
.
Sehen Sie unser Online-Museum.
Das ehemals abgelegene, nur wenig besiedelte sumpfige Gebiet des Peenemünder Hakens auf Usedom wurde mit gewaltigen Mitteln urbar gemacht. Bereits 1940 wurde mehr als eine halbe Milliarde Reichsmark in die Infrastruktur von Schienenwegen, einem umfangreichen Straßennetz, frei Häfen, Deichen und Aufspülungen auf dem nördlichsten Teil der Insel Usedom investiert. Im Oktober 1939 wurde der Bau eines Kraftwerkes beauftragt. Mit dessen Abdampf wurde das Werk Süd
, ein Gelände nahe dem Usedomer Seebad Karlshagen, das mit zwei riesigen Werkhallen und einer ganzen Reihe von Nebengebäuden versehen war, und die Siedlung der Wissenschaftler beheizt.
Sauerstoffwerk — Häfen wurden angelegt, Bahntrassen gebaut, Deiche aufgeschüttet und weite Teile des Gebietes melioriert.
Vergeltungswaffen
International bekanngeworden ist die Usedomer Ortschaft Peenemünde vor allem durch die Entwicklung der damals mit dem Propagandanamen Vergeltungswaffen
bezeichneten Fernlenkbombe Fi103 (V1
), der ballistischen Rakete Aggregat 4 (V2
) sowie der wenig bekannten kanonenartigen Schleuder Fleißiges Lieschen
/Langrohrkanone
(V3
). Daneben entwickelte die Luftwaffe in Zusammenarbeit mit vielen Industriebetrieben auf der Insel Usedom zahlreiche revolutionäre Waffen wie Ferngleitbomben, nachgelenkte Fallbomben, Zielweisungssysteme, Jagdflugzeuge mit Raketenantrieb, Jägerraketen und vieles mehr.
Gefechstköpfe — nicht nur die Großrakete V2
wurde in Peenemünde entwickelt, sondern auch Lenkwaffen und andere Flugkörper.
Hydra: Luftangriff vom 3.8.1943
Bald wurden englische Luftbildauswerter auf die ausgedehnte Anlage auf der Insel Usedom aufmerksam. Zuvor waren Berichte über die Entwicklung moderner Fernwaffen bekannt geworden. Die britischen Stabschsefs schlugen eine Untersuchung über den Stand der deutschen Raketenentwicklung vor. Im Ergebnis dieser Untersuchung schlug Duncan Sandys, der im Versorgungsministerium für die Forschung, Entwicklung und Produktion aller Waffen verantwortlich war, einen nächtlichen Luftangriff auf den nördlichen Teil der Insel Usedom und Peenemünde vor. Dieser Vorschlag wurde dem Primierminister am 15.7.1943 zur Entscheidung vorgelegt. Am 3.8.1943 erfolgte dann der Großangriff auf Peenemünde, der tragischer Weise vor allem russischen Kriegsgefangenen das Leben kostete. Der Schaden an den militärischen Anlagen auf Usedom war überraschend gering, so dass die Arbeiten fortgesetzt wurden. Viele Zerstörungen wurden aus Tarnungsgründen nicht mehr repariert um die alliierten Luftaufklärung zu täuschen.
Wiederholt und mit zunehmender Präzision wurden die militärischen Anlagen bombardiert — viele Spuren sind noch heute sichtbar.
Erst am 30.4.1945 wurde die Versuchsstelle der Luftwaffe Peenemünde-West
, auf Usedom die inzwischen unter dem Namen Versuchs- bzw. Erprobungsstelle Karlshagen
firmierte, offiziell aufgelöst. Zuvor war eine Verlegung der verschiedenen Erprobungsstellen an mehrere Orte in der Mitte und im Westen Deutschlands angeordnet worden. Eine Wiederaufnahme der Arbeiten an den Zielorten erwies sich als vollkommen illusorisch. Am 17.2.1945 begann die Verlegung der ersten Mitarbeiter, die am 28.4.1945 abgeschlossen wurde. Am 5.5.1945 wurde die Insel Usedom und damit auch Peenemünde von der Roten Armee eingenommen. Sie fand eine weitgehend zerstörte Anlage ohne relevante Unterlagen oder Personal vor.
Auch die stabilsten Bunker halfen nicht — Peenemünde wurde von der Roten Armee erobert.
Bereits vor dem Kriegsende waren Gedanken zum Kriegsende und die Nachkriegszeit entwickelt worden. In deren Zentrum stand der SS-Obergruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS Dr.-Ing. H. Kammler, der als Reichsbevollmächtigter
mit einer gegen Kriegsende einzigartigen Machtfülle ausgestattet war. Der Sonder- und Generalbevollmächtigte der Raketenwaffen und TL-Jäger
Kammler, dessen Spur sich zum Ende des II. Weltkriegs verliert, war bestrebt, die Peenemünder Wissenschaftler und Unterlagen nicht in sowjetische Hände fallen zu lassen. Vermutungen bestehen, dass dieser die Wissenschaftler als Faustpfand verwenden wollte, um sich selbst zu retten.
Ausgeraubt — Tresor im Büroteil des Entwicklungswerkes.
Nach Ende des Krieges wurde der Peenemünder Haken der Insel Usedom von der Roten Armee besetzt und alle verwertbaren Gegenstände und Anlagen demontiert und über den Ostseehafen Swinemünde abtransportiert. Ende der 50er Jahre erfolgte eine weitere Welle der Zerstörung über den Nordwesten der Insel Usedom. 1962 wurde das Gelände an die NVA übergeben wurde. Diese betrieb bis zur Demilitarisierung der Ostseeinseln infolge des Vertrages über die Deutsche Wiedervereinigung weite Teile des Usedomer Geländes, das Sperrgebiet blieb, als Jagdfliegergeschwader. In den Anfang dieser Zeit fiel eine weitere Welle der Zerstörung noch bestehender Gebäude.
Auf Wehrmacht und Luftwaffe folgten sowjetische Marineflieger und später die Luftstreitkräfte der NVA. Im Bild die Anlagen zur Versorgung mit technischen Gasen in einem Flugzeugbunker (Shelter).
paperclipund
overcast
Zu Kriegsende ist es einem Bruder von Wernher von Braun gelungen, die verfügbaren Ergebnisse von 7 Jahren Waffenforschung den Amerikanern anzudienen. Diese konnten dann in der Operation paperclip
beträchtliche Mengen an Unterlagen sicherstellen. Weitere Operationen und Verhandlungen verschafften ihnen die führenden Wissenschaftler, die in den USA zahlreiche Waffen fortentwickelten. So entstand aus der Fernbombe Fi103 (V1
) über die Jahre der Marschflugkörper cruise missile
und ihre Nachfolger, wie der deutsche Taurus
, das A4 (V2
) wurde im amerikanischen und sowjetischen Weltraumprogramm fortentwickelt. Der Grundgedanke der weitgehend unbekannt gebliebenen V3
wurde zunächst von der NASA aufgegriffen, um Satelliten in eine Umlaufbahn zu schießen. Nachdem dieses Projekt aufgegeben wurde, entwickelte der ehemalige NASA-Wissenschaftler Gerald Bull für das irakische Regime das Babylon
-Geschütz.
Die durch den Verlauf der Ereignisse zunächst benachteiligten Sowjets gingen einen anderen Weg. Sie "akquirierten" die weniger bekannten Techniker und Ingenieure aus Peenemünde, die eigene Mitarbeiter anlernten. Anhand von deren Erinnerungen, erbeuteten Unterlagen und eigener Forschung entwickelte man die ursprünglichen Waffensysteme weiter.
Prüfstand 7 — ein Gedenkstein erinnert an das Erreichen der Grenze zum Weltall von diesem Ort aus.
Starten Sie mit uns zu einem virtuellen Rundflug in Google Earth® über die Erprobungsstellen Peenemünde auf der Insel Usedom. In knapp 15 Minuten können Sie kostenlos und bequem alle relevanten Orte auf dem Peenemünder Haken aus der Luft kennenlernen. Zu allen angeflogenen Orten werden viele weiterführende Informationen bereitgehalten, die vor oder nach dem Flug abgerufen werden können. Dieses Online-Museum
gibt einen recht präzisen Überblick über das ausgedehnte Gebiet im Norden der Insel Usedom ohne Sperrgebiete betreten zu müssen.
Rundflug um den Peenemünder Haken: KMZ-Google-Earth®-Daten
Videosequenz Peenemünder Haken
(wmv-Format).
Der nordöstliche Teil des Peenemünder Hakens auf der Insel Usedom ist heute wieder Sperrgebiet. Schilder weisen auf den Vogelschutz und Gefahren durch Altmunition hin. Der Flugplatz im Nordwesten Usedoms ist wegen des Flugbetriebes ebenfalls gesperrt. Zivil genutzt wird der Nordhafen; der Hafen am Peenestrom ist ein Museumshafen geworden. Das ehemalige Kraftwerk beherbergt ein interessantes Museum; weitere Museen haben sich in Peenemünde angesiedelt. Das jüngst versteigerte Sauerstoffwerk, das als Ruine den südlichen Teil des Ortes Peenemünde dominiert, fasziniert mit seiner düsteren, skellethaften Symbolik.
Zwischen dem Usedomer Ostseebad Karlshagen und Peenemünde, wo das Werk Süd
lag, ist ebenfalls ein Sperrgebiet abgezäunt, das von der Bahntrasse der Usedomer Bäderbahn durchzogen wird. Im Ostseebad Karlshagen sind trotz reger Bautätigkeit der letzten Jahre die unter Denkmalschutz stehenden Reihen- und Einzelhäuser der Wissenschaftler und Techniker zu sehen. Viele für den damaligen Baustil typischen Häuser ähnlicher Zweckbestimmung finden sich in vielen Orten auf der Insel Usedom.
Reste von Werkstätten des Entwicklungswerkes — mehrere Zerstörungswellen haben (fast) nur noch Trümmer hinterlassen.
Von den Baulichkeiten der ursprünglichen Anlage auf Usedom ist heute kaum noch etwas zu erkennen. Wenigsten drei Wellen organisierter Zerstörung und der Mantel des fünf Jahrzehnte währenden Schweigens geben nur noch dem Eingeweihten Hinweise auf die vergangene Bebauung. Zu sehen sind Trümmer der verschiedenen Prüfstände der Versuchsstelle des Heeres Peenemünde
entlang der Ostseeküste der Insel Usedom.
Interessant sind vor allem die Reste der Prüfstände IX (C-2, Wasserfall
, Enzian
) und natürlich 7 (Startpunkt des A4, V2
). Nur wenige, im Wald verstreute Reste lassen den Standpunkt der zugehörigen Hochbauten erkennen. Gut zu erkennen sind die Abgasschurren im Prüfstand 7, die vor allem statischen Triebwerkstests dienten. Im Luftbild der Insel Usedom sind die zahllosen Bombentrichter antlang des östlichen Schilfgürtels des Peenemünder Hakens gut zu erkennen.
Naturpark Insel Usedom — Pflanzen und Tiere erobern
die Halbinsel Peenemünder Haken zurück. Im Bild der Horst eines Seeadlers.
Ganz im Norden des Peenemünder Hakens sind die Fundamente der Fi103-Schleudern zu sehen. Sowohl mit der Rheinmetall-Borsig- (Feststoffraketen) als auch mit der Walter-Schleuder (chemischer Dampf durch katalytische Zersetzung von H2O2) wurden Erprobungen durchgeführt. Die Überreste einer weiteren Schleuder finden sich im Wald zwischen den Usedomer Seebädern Zempin und Zinnowitz. Hier fanden erste Ausbildungen für deren Einsatz statt (Flakregiment 155 W).
Werk Südzwischen Karlshagen und Peenemünde
Vom Werk Süd
sind ein paar wenige teilweise erhaltene Untergeschosse im Wald zu finden. Nordwestlich befinden sich Reste der Wasserversorgungsanlagen. Im Gelände sind immer wieder Reste der Fernheizungstrassen zu erkennen.
Unternehmen Sie einen Ausflug in Google Earth, während dessen Sie eine Vielzahl von aktuellen und informativen Fotos aus diesem faszinierenden und schwer zugänglichen Gebiet sehen können.
Peenemünde Ost und West
Werk Süd)