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Etwa in der Mitte der Kette der Prüfstände entlang der Ostseeküste der Insel Usedom befand sich der Prüfstand IX. Er verfügte über umfangreiche Hochbauwerke, deren Trümmer sich weit verstreut im Wald befinden. Unter anderem gehörten zu P IX zwei Werkhallen, die nach dem Krieg zunächst von der Sowjetarmee zum Nachbau von Teilen des A4 verwendet wurden.
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Auf P IX wurde anfänglich die Fla-Rakete "Wasserfall", ein flüssigkeitsgetriebener Fernlenkkörper erprobt. Die "Wasserfall" unterschied sich in vielem vom A4. Grund waren die völlig anderen Anforderungen an eine Flugabwehrrakete, die z. B. möglicherweise wochenlang ungenutzt auf ihrer Abschussvorrichtung stehen musste, wenig Personal binden durfte und möglichst leicht aus Sektionen am Einsatzort montierbar sein sollte. Mit letzterer Anforderung sollte eine Fertigung auch in kleineren Firmen, die über das Gesamtkonzept wegen der latenten Spionagegefahr wenig Kenntnis haben durften, möglich sein.
Prüfstand 9 der Heereswaffenanstalt Peenemünde — nur noch Fundamente geben sich zu erkennen.
Der Antrieb basierte auf einer hypergolen (selbstzündenden) Kraftstoffkombination von Visol (Isobutylvinylether + Anilin) und "SV-Stoff" (10 % Schwefelsäure + 90 % Salpetersäure). Dieser Kraftstoff war im aufgetankten Zustand lagerfähig und auch in der kriegsbedingten Rohstoffknappheit verfügbar. Die Kraftstofförderung wurde durch einen einfachen Vordruck in den Kraftstofftaks realisiert. Die Steuerorgane waren simpel und wenig fehleranfällig ausgeführt (Luft-/Strahlruder, mechanisch integrierender Soll-Ist-Vergleich auf Gyroskop basierend).
Am 29.02.1944 erfolgte auf diesem Prüfstand auf der Insel Usedom der erste Start der Fla-Rakete. Später wurden die Starts dieser Waffe, die nicht mehr zum Einsatz kam, auf dem P VIII durchgeführt.
Um innerhalb des begrenzten Aktionsradius der "Wasserfall" ein sich schnell bewegendes Ziel, wie ein Flugzeug, zerstören zu können, bedurfte es einer selbstständigen Zielsuche oder einer Zielweisung. Auch zu diesen Themen wurden umfangreiche Entwicklungsanstrengungen unternommen. Für die Zielsuche wurden akustische und optische (infrarote Strahlung der Flugzeugtriebwerke) Verfahren entwickelt. Die Zielweisung erwies sich angesichts der drei freien Parameter der Flugzeugbewegung im Raum als besonders schwierig. Mittels Funkmessanlagen wurde die Flugzeugbewegung erfasst und die Zielweisungsbefehle per Funk an die Jägerrakete übermittelt.
Nordwestlich vom Prüfstand IX, jedoch immer noch in Sichtweite der Ostseeküste der Insel Usedom, errichtete die DDR-Luftwaffe eine Sturmbahn, die auch heute noch teilweise erhalten ist. Man kann sich vorstellen, dass die an der unmittelbar benachbarten Startposition der Sturmbahn wartenden Soldaten die umfangreichen Trümmer des Prüfstandes haben sehen müssen und gewiss Fragen zu deren Herkunft und Bedeutung hatten. Der Umstand, dass sowohl Mannschaften als auch Offiziere keine oder zumindest kaum eine Kenntnis von diesen Relikten hatten, zeigt, wie wirkungsvoll der Mantel des Schweigens über die Peenemünder Erprobungsstellen gedeckt wurde. Dabei ist wohl zu vermuten, dass den Siegermächten des II. Weltkrieges die sich immer mehr verbreitende Annahme ganz recht gewesen dürfte, Raketen wären in White Sands und Huntsville oder aber in Kapustin Jar "erfunden" worden.
Peenemünde Ost und West
Werk Süd)